Chronische Bronchitis beim Pferd: Vorbeugen ist besser als heilen

Erkrankungen der Atemwege werden von vielen Pferdeleuten – Laien als auch Fachleuten –leider immer noch häufig bagatellisiert, obwohl beinahe jedes zweite Pferd an einer mehr oder weniger gravierenden Erkrankung der Lunge leidet, die früher oder später zur Leistungsminderung und Unbrauchbarkeit führt. Symptome werden heruntergespielt und wenn sie dann unübersehbar werden, fällt der Pferdebesitzer aus allen Wolken. Und gerade für die Erkrankungen der Atemwege gilt der Grundsatz „Vorbeugen ist besser als heilen“, denn wenn der hoch komplizierte Atemtrakt des Pferdes erst einmal geschädigt ist, gibt es oftmals keine vollständige Heilung mehr. Die Pferdetierärztin Eva Mack beschreibt, worauf zu achten ist.

Bronchtis beim Pferd

Ein ganz wesentlicher Teil der Atemwege ist die Schleimhaut der Bronchien, die mit einem feinen Flimmerepithel ausgestattet ist. Auf diesen Flimmerhärchen befindet sich eine feine Schleimschicht, das so genannten Surfactant. Gemeinsam mit der ständigen Wellenbewegung der Flimmerhärchen sorgt diese Schicht dafür, dass Fremdkörper wie Viren, Bakterien, Staubpartikelchen und andere Partikel, die durch das Einatmen in die Bronchien kommen, wieder nach draußen transportiert werden. Wenn nun z.B. durch schlechte Stallverhältnisse, staubiges Futter oder Einstreu große Mengen an Fremdkörpern eingeatmet werden, reagieren bestimmte Zellen der Bronchialschleimhaut mit einer gesteigerten Ausschüttung des Surfactant. Der Körper versucht mit dieser Steigerung der Ausschüttung des Schleimes die störenden Partikel nach draußen zu befördern und so die empfindliche Bronchialschleimhaut zu schützen. Nicht nur die Menge des Surfactant verändert sich, sondern auch die Viskosität des Schleimes. Wenn nun aber zu viel und zu zäher Schleim produziert wird, haben die feinen Flimmerhärchen immer mehr Mühe ihre Bewegungen auszuführen und es kommt an manchen Stellen zum Erliegen des Schleimflusses, was wiederum zu einer Schädigung des Flimmerepithels führt. Schlussendlich kommt es zu einer Zerstörung der Flimmerhärchen und damit können Fremdkörper nicht mehr nach draußen befördert werden, sondern sie haben direkte Berührung mit den Bronchialzellen und schädigen diese nachhaltig.

Atemnot durch zerstörte Lungenbläschen

Wenn der Krankheitsprozess weiter fortschreitet, verstopfen kleinere Bronchialästchen vollständig und dann ist dort kein Sauerstofftransport mehr möglich. Um die Bronchialäste befinden sich ringförmige Muskeln, die sich auf einen Reiz der Schleimhaut, z.B. vermehrte Schleimproduktion, mehr oder weniger schnell zusammenziehen und so zu den zu recht gefürchteten Bronchialkrämpfen führen. Wie rasch es zu einem solchen Krampf kommt ist individuell von Pferd zu Pferd verschieden, allen gemeinsam ist aber eine recht starke Tendenz zu solchen Krämpfen. Pferde, die eine vermutlich erblich bedingte verstärkte Allergiebereitschaft tragen, reagieren schneller und heftiger.

Wenn nun durch eine Verschleimung oder massive Krämpfe Bronchialäste total verschlossen sind, und dort kein Sauerstofftransport mehr möglich ist, kommt es in den Lungenbläschen, die am Ende der feinsten Bronchialästchen wie Trauben angeordnet sind, zu einem Überdruck und sie werden zerstört. Es entstehen größere Luftblasen, in denen kein Sauerstoffaustausch mehr möglich ist. Je mehr Lungenbläschen zerstört sind, umso schlechter ist die Sauerstoffversorgung des Tieres. Das Pferd muss seine Atemfrequenz erhöhen und seine Bauchmuskeln zu Hilfe nehmen. Dieser Vorgang ist nicht reversibel und führt zu einer Leistungsminderung bis hin zu schwerer Atemnot. Es entsteht so ein Teufelskreis, der nicht mehr unterbrochen werden kann.

Unnatürliche Haltungsumwelt

Neben dieser rein mechanischen Störung spielt aber auch der Zustand des Immunsystem eines Pferdes bei der Entstehung einer Erkrankung der Atemwege eine wichtige Rolle. Bekannter Weise wird das Immunsystem durch Stress massiv beeinflusst. Ein Lebewesen befindet sich dann im Stress, wenn es sich in seinem Verhalten und seinen physiologischen Leistungen an unnormale, widrige oder extreme Situationen anpassen muss. Dieser körperliche oder emotionale Zustand verursacht Spannungen und kann Gesundheitsstörungen nach sich ziehen. Wenn wir nun also einmal darüber nachdenken, welchen unnormalen bzw. unnatürlichen Situationen sich ein Pferd in menschlicher Obhut unter den heute üblichen Haltungsbedingungen anpassen muss, so sehen wir, dass eine enorme Anforderung an den Organismus des Pferdes gestellt wird. Auch wenn unsere Pferde schon seit vielen Jahrhunderten domestiziert sind, bleiben sie doch in erster Linie Herden, Steppen und Gewohnheitstiere. Das heißt, ihre Grundbedürfnisse sind Gesellschaft von Artgenossen, gleichmäßige und ständige ruhige Bewegung, ständige Aufnahme von kleinen Futterrationen, frische Luft, Temperaturwechsel der Umgebung und das alles möglichst konstant. Wer Pferde über einige Zeit in natürlicher Umgebung eingehend beobachtet, stellt fest, dass sie einen sehr regelmäßigen Tagesrhythmus haben.

Stress schwächt Immunsystem

Die Natur hat nicht vorgesehen, dass ein Fohlen sehr früh von seiner Mutter abgesetzt wird, dass es dann an einen anderen Platz in eine völlig fremde Herde mit den entsprechenden Rangkämpfen kommt und nach drei Jahren wieder wechseln muss zu dem Platz wo es ausgebildet wird. Es verliert sämtliche Sozialkontakte und muss plötzlich Leistungen erbringen, für die es oft genug noch viel zu jung und/oder schlecht vorbereitet ist. In ihrem weiteren Leben müssen die meisten Pferde noch mehr Stallwechsel und damit Wechsel des sozialen Umfeldes über sich ergehen lassen. Dazu kommen dann noch die Fahrten und Aufenthalte auf Turnieren, Schauen oder anderen Veranstaltungen. Der Transport zu solchen Gelegenheiten verschärft die Situation, da es hier erfahrungsgemäß oft auch zu massivem psychischen Druck kommt. Überall da, wo viele Pferde zusammenkommen, treten auch vermehrt Krankheitserreger auf und bedrohen dann diese zusätzlich durch den Leistungsdruck geschwächten Tiere. Sehr häufig kommt es dann zum Ausbruch einer Erkrankung. Die Konzentration bestimmter Zellen, die für die Elimination von Viren und Bakterien zuständig sind, wird durch Stressfaktoren massiv reduziert und so können sich diese Krankheitserreger schneller ausbreiten. Eine Forschungsarbeit auf diesem Gebiet hat interessante Ergebnisse gezeigt. Untersucht wurde der Spiegel bestimmter Abwehrzellen im Blut bei Turnierpferden, für die das Verladen in einen Hänger Routine war und die äußerlich keinerlei sichtbaren Stresssymptome zeigten. Sie wurden dann ca. eine halbe Stunde gefahren, dann in ihrer gewohnten Stallumgebung ausgeladen und zurück in ihre Box gebracht. Der Spiegel dieser Zellen fiel signifikant ab und so wurde dargestellt, dass auch wenn das Pferd keine Aufregung gezeigt hatte, sein Immunsystem doch deutlich belastet und das Tier so anfälliger für Krankheitskeime war.

Vorsorge treffen

Es geht nun nicht darum, die Uhr zurückzustellen, schließlich wollen die meisten Pferdehalter ihre Tiere ja auch in den unterschiedlichsten Disziplinen nutzen, aber es ist schon gut, sich über diese Mechanismen klar zu sein und entsprechende Vorsorge zu betreiben. Ein Teil dieser Vorsorge ist die Impfprophylaxe gegen bestimmte Viruserkrankungen. Über den Nutzen oder Schaden von Impfungen wird zwar sehr kontrovers diskutiert, klar ist aber, dass Pferde, die häufig auf Veranstaltungen gehen, sehr massiv bestimmten Viren ausgesetzt sind, gegen die eine Impfung schützen kann. Ganz wichtig ist hierbei, dass für jeden Stall – je nach Nutzen und individuellen Umständen – ein Impfplan ausgearbeitet werden sollte, der dann auch genau einzuhalten ist. Unsachgemäßes Impfmanagement nach dem Muster – jeder Pferdebesitzer in einem gemeinschaftlichen Stall kocht sein eigenes Süppchen – schadet den Pferden mit Sicherheit mehr als es nutzt.

Auch wenn das häufig zu Diskussionen führt, muss hier eine einheitliche Lösung gefunden werden, die dann auch konsequent durchgeführt wird. Einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Entstehung von Erkrankungen der Atemwege hat die heutige Haltung und Fütterung! Durch Staub und Ammoniakdämpfe wird die empfindliche Bronchialschleimhaut nachhaltig geschädigt. Viele Pferde werden in Reithallen geritten, die sehr staubig sind, in schlecht belüfteten Ställen gehalten und mit mehr oder weniger schlechtem Heu gefüttert. Heu und Stroheinstreu sind oft staubig, verunreinigt oder gar mit Schimmelpilzen befallen. Eine unsachgemäße Werbung und Lagerung des Futters oder der Einstreu sind in vielen Fällen nachhaltig an der Entstehung akuter und chronischer Atemwegserkrankungen beteiligt. Die auf Grund dieser Bedingungen bereits geschwächten Atemwege sind ideal für die Ansiedlung von Krankheitserregern.

Erkrankung meist deutlich zu erkennen

Die Symptomatik der Atemwegserkrankungen ist je nach Auslöser sehr deutlich, kann aber auch sehr unspezifisch sein. Akute Erkrankungen wie Infektionen mit spezifischen Keimen (z.B. Influenzaviren) gehen meistens mit einer Erhöhung der Körpertemperatur, also Fieber einher. Die Pferde sind abgeschlagen, fressen oft schlecht oder gar nicht und zeigen verminderte Leistungsbereitschaft. Die Schleimhäute der Nüstern und Augen sind gerötet, es kommt anfangs zu vermehrt klarem Ausfluss, der sich im Verlauf immer mehr verdickt, bis hin zu zähflüssigem, gelbgrünem Schleim. Die Lymphknoten im Ganaschen- oder Unterkieferbereich schwellen an. Meist tritt auch nach kurzer Zeit Husten auf. Wenn sich Bakterien und Viren im Körper festsetzen, hat dieser viele Möglichkeiten zur Abwehr. Neben den oben bereits erwähnten kann der Organismus durch eine Erhöhung der Körpertemperatur Krankheitserreger unschädlich machen. Leider wird ihm diese oftmals durch die Verabreichung von fiebersenkenden Medikamenten genommen. Es sollte daher immer sehr genau abgewogen werden, ob das Fieber eher heilenden Einfluss hat oder ob es den Organismus überfordert und nur dann sollten diese Mittel zum Einsatz kommen. Bei bakteriellen Infektionen können Antibiotika sehr hilfreich sein, sie müssen dann aber auch über einen entsprechenden Zeitraum und in passender Dosierung verabreicht werden. Wird dies unzuverlässig durchgeführt, können sie mehr schaden als nutzen und es kann sogar zur Resistenz bestimmter Keime führen.

Viel Ruhe und schnell handeln

Durch Antibiotika werden bestimmte sensible Keime zwar aus dem Organismus eliminiert, das heißt aber nicht, dass damit bereits die Krankheit ausgeheilt ist. Akut erkrankte Pferde müssen lange genug außer Dienst gestellt werden, um dem Organismus wirklich die Chance zu vollständiger Heilung zu geben. Zu frühe Belastung kann leicht zu einer Verschleppung und damit zur Entstehung eines chronischen Schadens führen. Je früher mit Medikamenten behandelt wird, die die Abwehr stärkend, entzündungshemmend und schleim- und krampflösend sind, umso besser sind die Chancen auf vollständige Wiederherstellung. In vielen Fällen werden die ersten Anzeichen einer Erkrankung der Atemwege nicht erkannt und es kommt zu einem schleppenden Verlauf. Husten, der nur ab und zu auftritt, wird bagatellisiert nach dem Motto: -ein, zwei Huster zu Beginn der Bewegung sind doch normal. Nasenausfluss wird nicht bemerkt oder als normal betrachtet. Viele Pferde mit chronischen Bronchitiden husten nur nachts und bleiben so oft unerkannt. Bei Pferden, die keine große Leistung erbringen müssen, fällt auch ein zu Beginn der Erkrankung noch leichter Leistungsabfall nicht auf. Erst wenn die Symptome massiv werden – starker, oft krampfhafter Husten, dicker zäher Nasenausfluss, deutlicher Leistungsabfall, Kurzatmigkeit, Atembeschwerden und Abmagerung – wird der Patient erkannt. Es lohnt sich auch, bei der Stallarbeit auf Schleimbatzen zu achten, die in der Stallgasse oder an den Wänden zu finden sind. Oftmals ist das der erste Hinweis darauf, dass hier ein Pferd steht, das massive Atemwegsprobleme hat. Der Schleim sitzt so fest, dass er sich nur sporadisch löst und eben unbemerkt bleibt. Solche Patienten husten oft gar nicht oder nur sehr selten. Der Krankheitsprozess schon sehr weit fortgeschritten und es muss schnellstmöglich eine Therapie einsetzen. Bei diesen Pferden hat sich auch schon oft ein Lungenemphysem gebildet, und mehr oder weniger große Bereiche der Lunge sind nicht mehr funktionsfähig. In Folge dieser Funktionsstörung wird das Herz überbelastet und es kommt zu Veränderungen im Herz- Kreislaufsystem.

Bei erstem Verdacht sofort handeln

Wenn also auch nur der geringste Verdacht besteht, dass ein Pferd Probleme mit den Atemwegen hat – kein gesundes Pferd hustet!!! – muss möglichst schnell eine genaue Untersuchung stattfinden. Hierzu hat der Fachmann mehrere Möglichkeiten: zunächst sollte die Lunge abgehört werden und zwar im Zustand der Ruhe und nach Bewegung. Besonders geringgradige oder zäh verschleimte Fälle können, wenn nur im Ruhezustand untersucht wird, übersehen werden. Weitere Untersuchungsmöglichkeiten wie Endoskopie, Blutgasanalyse und Labortests (z.B. bei Verdacht auf ein allergisches Geschehen) können die genaue Diagnosefindung ermöglichen. Zur Therapie stehen viele wirksame Möglichkeiten zur Verfügung, man muss sich aber im Klaren sein, dass eine stark geschädigte Lunge häufig nicht wieder vollständig hergestellt werden kann. Als erste und wichtigste Maßnahme sollten die Haltungs- und Fütterungsbedingungen überprüft und gegebenenfalls geändert werden.

Passende Behandlung wählen

In der Naturheilkunde, Homöopathie und Schulmedizin gibt es viele wirksame Methoden, die helfen, den Schleim und die Verkrampfung der Bronchien zu lösen. Besonders die Wahl eines geeigneten Homöopathikums ist nicht so einfach und sollte dem Fachmann vorbehalten sein. Wenn es richtig ausgewählt wird, können auch schwere Schäden wieder ausheilen, ein zu langes Ausprobieren durch einen Laien kann jedoch die ganze Sache verschleppen und den Schaden vergrößern. Die Behandlung eine Erkrankung der Atemwege gehört in kompetente Hände, dann kann auch gemeinsam entschieden werden, welche Art der Behandlung angemessen ist und ob vielleicht bestimmte Kräutermischungen als unterstützende Maßnahme gegeben werden können. Bei sehr massiven Erkrankungen besonders in Verbindung mit großen Schleimansammlungen hat sich die Inhalation sehr bewährt. Entweder mit Hilfe eines Ultraschallverneblers oder noch besser in einer Inhalationskammer. Ein reines Verdampfen von ätherischen Ölen im Wasserdampf hat keinen Effekt. Die verdampften Teilchen sind viel zu groß, um bis in die Lunge zu gelangen, sie erreichen maximal die Nasenhöhle. Manche Pferde reagieren sogar eher negativ, wenn der Reiz an den Nasenschleimhäuten zu massiv ist. Bei schwersten Fällen, deren Lungen voll Schleim sind, kann auch eine so genannte Lungenspülung erwägt werden. Dabei werden unter ständiger Kreislaufkontrolle große Mengen einer Kochsalzlösung über eine Infusion verabreicht. Das Ziel ist, den Schleim zu verflüssigen und so ein Abfließen zu ermöglichen.

Fazit:

Insgesamt kann nicht oft genug gesagt werden, dass die Vorsorge bei Atemwegserkrankungen das allerbeste ist! Die Prognose für ein chronisch lungenkrankes Pferd ist vorsichtig zu stellen. Nur eine konsequente Behandlung und das Umstellen auf eine möglichst staubarme Fütterung (nasses Heu/Heulage etc.) und luftige Haltungsbedingungen (staubfreie Einstreu, Offenstall, Paddockhaltung) können den Prozess verlangsamen, den Schaden begrenzen und so das Pferd möglichst lange erhalten.

Eva Mack

(tiergesundheit-aktuell.de)

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